Bericht und Text
Tobias Böckermann | noz.de
Nach der Sabotage an einem Naturschutzprojekt in Haren liegen die Hintergründe weiter im Dunkeln. Mit etwas Abstand wird deutlich: Der Schaden ist beträchtlich, Fische sterben.
Letzteres berichtet Günter Eiken, Vorsitzender des Fischereivereins Wesuwe, der Träger und Organisator der Renaturierungsmaßnahme ist. Bekanntlich sollte der Wörmer, ein einst bis zu vier Meter tiefes, tropfenförmiges Gewässer in der Nähe der fließenden Ems bei Wesuwe, von Tausenden Tonnen Faulschlamm befreit werden.
Hintergrund: In den 1950er-/1960er-Jahren war im Zuge der Flurbereinigung ein Entwässerungsgraben durch das Gewässer gelegt worden. Aber statt wie geplant Frischwasser, transportierte der Graben Schlamm und Nährstoffe von den umliegenden Feldern in den Wörmer. Mindestens 20000 Kubikmeter, und die sollten durch die Naturschutzmaßnahme wieder raus.
Der Schlamm sollte raus – und tötet jetzt die Fische Also wurde auf Initiative der Angler der zuführende Graben verlegt und der Wörmer, aufgeteilt in zwei Teilabschnitte, ausgesaugt. Der Schlamm landete in einem Absetzbecken und sollte dort abtrocknen. Aus dem Becken wird später ein Wald. Bis Unbekannte am 13. Mai den Damm des Absetzbeckens mit einem kurzgeschlossenen Bagger zerstörten. Der Schlamm floss zurück in den Wörmer.
„Aber wie viel Schlamm genau das war, wissen wir noch nicht“, sagt Günter Eiken gut zwei Wochen nach der Sabotage bei einem Ortstermin mit dem Fischereibiologen Jens Salva vom Landesfischereiverband Weser-Ems in Oldenburg und der ausführenden Firma Kruse. „Der Schlamm muss sich im Wörmer erst wieder setzen, damit wir seine Menge schätzen können“, sagt Eiken. Sicher ist: Während sich das Wasser durch das Entschlammen zuletzt schon klarer präsentiert hatte und sich damit der Erfolg der Maßnahme schon deutlich zeigte, ist es nun teilweise wieder so rotbraun wie zuvor.
Eine ganze Reihe Fische, vor allem große Brassen und Karpfen, hat die Schlammwelle oder den dadurch ausgelösten Sauerstoffmangel nicht überlebt. Sie treiben übel riechend am Ufer. Jens Salva ist sich sicher: Die Sabotage hat das Projekt um Wochen oder Monate zurückgeworfen. „Hier tobte schon wieder das Leben“, sagt er. Eigentlich befand man sich auf der Zielgeraden.
Warum der oder die Unbekannten an jenem Wochenende in den Kettenbagger eindrangen und diesen kurzschlossen, um dann rund 150 Meter durch das schlammige Baufeld zurückzulegen und letztlich den Damm einzureißen – das kann sich Günter Eiken nach wie vor nicht erklären. „Wir haben hier immer mit offenen Karten gespielt. Niemand wird durch die Renaturierung beeinträchtigt. Es ändert sich für niemanden etwas, außer für die Lebewesen im Wörmer.“
Immerhin neue Erkenntnisse gebe es bei der Tatzeit, sagt Eiken. „Nach der ersten Berichterstattung hat sich ein Spaziergänger bei mir gemeldet, dessen Beobachtung die Tatzeit etwas eingrenzen kann.“ Demnach war der Zeuge mit seinem Hund am Samstag, 13. Mai, gegen 8.30 Uhr noch am Gewässer unterwegs. Zu diesem Zeitpunkt sei noch alles in Ordnung gewesen. Als aber der ausführende Unternehmer gegen 11.30 Uhr zur Baustelle gekommen sei, habe der Bagger bereits im Wasser gelegen, und das Absetzbecken war beschädigt.
Entgegen ersten Annahmen hat sich die Tat also vermutlich nicht in der Nacht von Freitag auf Samstag ereignet, sondern erst am Vormittag des Samstags. „Vielleicht hat das jemand beobachtet, ist aber von regulären Bauarbeiten ausgegangen“, sagt Eiken und hofft auf weitere Zeugen. „Wir werden auf jeden Fall eine Belohnung für zielführende Hinweise aussetzen“, sagt er. Die Höhe stehe noch nicht fest.
Auf weitere Zeugen ist wohl auch die Polizei bei ihren Untersuchungen angewiesen. „Wir ermitteln noch auf Hochtouren“, sagte eine Polizeisprecherin am Montag auf Anfrage. Andere vergleichbare Fälle seien nicht bekannt. Den Bagger konnten Techniker zwar wieder zum Laufen bringen. Er ist aber ebenfalls erheblich beschädigt und gegen Vandalismus nicht versichert.
Für Günter Eiken und seine Mitstreiter ist damit aktuell noch unklar, wie es weitergeht. Dass es weitergehen solle, davon gehe er aber aus, sagt er, und das hofft auch Biologe Jens Salva. „Das Projekt muss ja beendet werden, allein uns fehlt aktuell das Geld dafür“, sagt Eiken. Versichern könne man sich gegen derartige Sabotage nicht, sagt er. „Und wir müssen erst ermitteln, wie viel Schlamm nun zum zweiten Mal aus dem Wörmer geholt werden muss. Erst danach wissen wir, wie viel Geld wir für die Arbeiten benötigen und wie hoch der Schaden damit ist.“
Woher das erneut benötigte Geld ist unklar. Die Gesamtmaßnahme sollte ursprünglich 90000 Euro kosten. Unterstützung sei aber von verschiedener Seite grundsätzlich signalisiert worden, sagt Eiken. In dieser Woche werde es Gespräche über das weitere Vorgehen geben, sagt Eiken. Dann werde man vielleicht schon etwas mehr wissen.
